[…] Selbsternannte Gurus reden ihren Anhängern ein, dass der Mensch weder essen noch trinken muss und sich von bloßem Licht ernähren kann. In bunten Werbevideos lustwandeln sie mit entrücktem Gesichtsausdruck über grüne Wiesen, breiten ihre Arme aus und saugen die Energie der Sonnenstrahlen ganz tief in sich ein. Für Stubenhocker, denen das mit den grünen Wiesen zu mühsam ist, gibt es den „Breatharianismus“, da spielt das Sonnenlicht keine zentrale Rolle, man nimmt einfach das „Prana“ auf, eine nicht näher definierte kosmische Grundenergie. […]
Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Lichtnahrungs-Theorie leicht zu testen: Wer behauptet, keine Nahrung zu benötigen, müsste sich nur ausreichend lange beim Fasten beobachten lassen. Erst wenn man es schafft, nachweislich ohne Nahrung sein Körpergewicht konstant zu halten, kann man ernsthaft behaupten, eine neue Methode der Energieaufnahme gefunden zu haben. Das hat freilich noch nie jemand geschafft: Der bekannte Lichtfaster Michael Werner wurde 2008 von einer Schweizer Expertengruppe untersucht – er nahm in zehn Tagen 2.6 Kilogramm Gewicht ab, sein Stoffwechselzustand veränderte sich so, wie man das bei radikal hungernden Leuten eben erwartet.
Die Australierin Jasmuheen, eine der großen Berühmtheiten der Lichtnahrungs-Szene, behauptet, seit vielen Jahren keine Nahrung mehr zu brauchen. Als sie sich allerdings für einen Fernsehsender einem kontrollierten Test aussetzte, musste das Experiment nach vier Tagen wegen Dehydration und Gewichtsverlust abgebrochen werden.
Der amerikanische Breatharianer Wiley Brooks soll nachts aus dem Fenster geklettert sein, um in einem Fastfoodrestaurant einzukaufen. Allerdings ist nicht überliefert, was er dort gegessen hat. Vielleicht wollte er auch nur ein bisschen am Licht der Neon-Reklametafeln naschen? […]
Oft erklären Lichtnahrungsgläubige, dass sie zwar grundsätzlich von Licht alleine leben könnten, aber nicht gänzlich nahrungslos leben wollen. Man gönnt sich eben ein paar Gläser Fruchtsaft, eine Hand voll Nüsse, ein bisschen Schokolade – nicht weil man es braucht, sondern einfach weil es gut schmeckt. Im Esoterik-Propagandafilm „Am Anfang war das Licht“ erklärt eine Lichtnahrungsanhängerin: Seit sie auf Lichtnahrung umgestellt hat, braucht sie zwischen den Mahlzeiten keine Kekse mehr. Was für eine erstaunliche Meisterleistung!
Es dürfte sich also in den allermeisten Fällen um ganz gewöhnlichen Selbstbetrug handeln. Diese Leute glauben wirklich, geheimnisvolle Lichtenergien anzapfen zu können. Und wenn sie dann doch etwas essen, dann betrachten sie das als bloße Ausnahme von der Regel. […]
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https://futurezone.at/meinung/die-lichtnahrungs-luege/305.522.806 [20.02.18-13:30]